Geschichte
Wikipedia Verweise:
Heinrich Tietze (rechts), zusammen mit Fritz Hartogs
Die Geschichte der Mathematik an der Universität Wien reicht bis zum Gründungsjahr der Universität Wien, 1365, zurück. Als Teil der Ausbildung an der Artistischen Fakultät war Mathematik von Anfang an ein fester Bestandteil des universitären Lebens und wurde von herausragenden Persönlichkeiten unterrichtet: Johann von Gmunden, Georg von Peuerbach und Johannes Müller von Königsberg, später bekannt und berühmt geworden unter dem Namen seiner Herkunft, Regiomontanus, vielleicht der führende Mathematiker seiner Zeit, müssen hier genannt werden. Die trigonometrischen Tafeln des Letzteren begleiteten Christoph Columbus auf seiner ersten Fahrt in die "neue Welt".
Auch späterhin, bis zum Beginn des 17. Jahrhunderts, lehrte mancher berühmter Vertreter des Faches Mathematik an der Universität Wien: so z. B. der Humanist Conrad Celtis, der "mathematisierende Poet" Johann Stabius, der die erste flächentreue Karte (in Herzform) entwarf, und Paul Fabricius, einer der bedeutendsten Universalgelehrten seiner Zeit. Ab 1623 übernahmen die Jesuiten die frühere artistische, nunmehr philosophische Fakultät, wodurch die Mathematik stagnierte. Nach der Auflösung des Jesuitenordens im Jahre 1773 erfolgte erst langsam ein Aufschwung: an herausragenden Mathematikern sind in der Folgezeit vor allem Georg von Vega, dessen logarithmisch-trigonometrisches Handbuch mehr als 80 Auflagen erlebte, sowie Joseph Petzval (1807-1891) zu nennen. Petzval war Professor für Mathematik, Mechanik und Geometrie und kann als der erste Industriemathematiker Österreichs angesehen werden. Das von Voigtländer entwickelte und 1840 in eine Kamera eingebaute Petzval-Objektiv ging 1841 in Serienproduktion und wurde im weiteren Verlauf zum erfolgreichsten Produkt in Europa.
Gab es ursprünglich nur einen Mathematikprofessor, so wuchs die Anzahl der Mathematikprofessoren an der Universität Wien über die Jahrhunderte langsam auf schließlich drei zu Ende des 19. Jahrhunderts. In diese Zeit fällt, unter anderem auf Betreiben des damaligen Mathematikprofessors Ludwig Boltzmann, auch die Gründung des Mathematischen Seminars im Jahre 1876. 1890 gründeten Gustav von Escherich und Emil Weyr die “Monatshefte für Mathematik und Physik”, seit 1947 “Monatshefte für Mathematik”.
In Folge erlebte die Mathematik an der Universität Wien eine Blütezeit, als die Professoren Franz Mertens, und später Wilhelm Wirtinger, Philipp Furtwängler und Hans Hahn mit den Studenten und Dozenten Franz Alt, Kurt Gödel, Wolfgang Gröbner, Eduard Helly, Gustav Herglotz, Witold Hurewicz, Walther Mayer, Georg Nöbeling, Karl Menger, Johann Radon, Kurt Reidemeister, Otto Schreier, Gabor Szegö, Alfred Tauber, Olga Taußky1, Heinrich Tietze, Abraham Wald, und Leopold Vietoris (der am 10. April 2002 kurz vor seinem 111. Geburtstag verstarb) arbeiteten. Diese Blütezeit fand durch den Tod von Hahn, die Pensionierung von Furtwängler und Wirtinger und nicht zuletzt durch den Nationalsozialismus ein abruptes Ende.
Dieser gravierende Einschnitt konnte erst durch die Rückberufung von Johann Radon und das Wirken von Persönlichkeiten wie Edmund Hlawka, Leopold Schmetterer, Wolfgang Schmidt und einigen anderen, wie zum Beispiel dem ehemaligen Rektor Nikolaus Hofreiter, einem hervorragenden Organisator, überwunden werden.
Die Aufwärtsentwicklung am Institut für Mathematik hat insbesondere seit den 1990er-Jahren schwunghaften Charakter angenommen. Es wurden neue Impulse gesetzt, und es fand, auch durch Nach- und Neubesetzungen, die Öffnung zu vorher nicht oder in letzter Zeit weniger vertretenen Gebieten statt, mit vielen international anerkannten Arbeitsgruppen.
Im Zuge der Neuorganisation der Universität Wien in der ersten Hälfte des Jahres 2004 wurde aus den früheren Instituten für Mathematik und für formale Logik eine eigene Fakultät.
1 Olga Taußky-Todd war die erste berühmte österreichische Mathematikerin. Die erste Frau jedoch, die am Institut für Mathematik promovierte, war Cäcilie Wendt (tatsächlich war sie sogar die erste promovierte Frau im Bereich der späteren naturwissenschaftlichen Fakultät und die dritte Frau an der gesamten Universität Wien, korrekterweise sogar die erste (!), da die beiden früheren Promoventinnen ihr Studium fast zur Gänze nicht in Österreich absolviert hatten). Sie erhielt ihren Doktortitel im Jahre 1900. (Die erste Promotion einer Frau in Mathematik in Österreich außerhalb der Universität Wien erfolgte erst 1923 in Innsbruck.)