Erneuerbare Energien – Marktanalysen und Machine Learning. Kurt Fritz arbeitet bei Österreichs führendem Stromunternehmen

20.09.2020
  •  Studium und wichtige Stationen des beruflichen Werdegangs

Mag. Kurt Fritz studierte an der Universität Wien Mathematik mit Fokus auf Differentialgeometrie und Physik mit dem Fokus auf Theoretische Physik / Gravitationstheorie. Ein Semester des Studiums verbrachte er in Schweden an der Luleå University of Technology. Seine berufliche Laufbahn begann er in einem auf energiewirtschaftliche Fragestellungen spezialisierten Beratungsunternehmen. Nach vier Jahren wechselte er als quantitativer Analyst zum Energieunternehmen Verbund.

https://www.xing.com/profile/Kurt_Fritz7/cv
https://www.linkedin.com/in/kurt-fritz-5901601a1
https://www.verbund.com

  • Welche Rolle spielt(e) das Mathematikstudium in Ihrem Berufsleben und wie ordnen Sie generell seinen Stellenwert am Arbeitsmarkt ein?

In meiner Arbeit spielt die Mathematik eine wichtige Rolle. Ich befasse mich zum Beispiel mit der Entwicklung automatisierter Tools zur Produktbepreisung, Live-Marktanalysen bzw. mit der Entwicklung und dem Betrieb von Machine Learning Anwendungen. Für diese Aufgaben ist eine fundierte mathematische Ausbildung mehr als nur hilfreich. Ich freute mich sehr im Zusammenhang mit neuronalen Netzen wieder an das Schwerpunktthema meines Studiums, die Differentialgeometrie, anzuknüpfen.

Grundsätzlich erwarten Arbeitgeber von Mathematiker*innen, Problemstellungen modellieren zu können. Man geht auch davon aus, dass Mathematiker*innen komplexe Problemstellungen strukturieren und organisiert abarbeiten können und auch die notwendige Ausdauer hierfür mitbringen. Während es im Studium vielfach darum geht, eine mathematische Fragestellung bis ins Detail vollständig zu analysieren, ist dies im Berufsalltag oft nicht oder nicht innerhalb der zur Verfügung stehenden Zeit möglich. Daher ist es wesentlich, ein gutes Verständnis dafür zu entwickeln was besonders wichtig ist und wann etwas genau genug für eine nutzbringende Verwendung ist. Über diese fachlichen Kompetenzen hinaus ist Teamfähigkeit von Bedeutung, was auch die Kommunikation komplexer Fragestellungen in einer auch für Nicht-Mathematiker*innen verständlichen Form einschließt.

  • Was schätzen Sie an Ihrer derzeitigen Tätigkeit besonders?

Derzeit leite ich ein Team von Data Scientists, das sich u. a. mit der Erstellung von Strompreis- bzw. Stromverbrauchsprognosen und der Entwicklung von Handelsstrategien beschäftigt. Dieser Bereich ist in den letzten Jahren einem starken Umbruch unterworfen. Der Markt wird immer hochfrequenter und vielschichtiger. Sowohl Händler als auch Stromerzeugungsanlagen oder Speicher müssen auf immer kurzfristigere Ereignisse reagieren. Dies bedingt, dass sowohl der technische Rahmen als auch die mathematischen Ansätze adaptiert oder neu geschaffen werden müssen.

Anstatt nur einmal täglich stündliche Strommengen für den Folgetag zu verkaufen, werden nun zusätzlich im kontinuierlichen Fließhandel unaufhörlich Strommengen in einem sich binnen Sekunden ändernden Marktumfeld gehandelt. An die Stelle von regelbaren Kraftwerken treten zunehmend hoch volatile Erneuerbare Energiequellen, deren Erzeugungsprognose wesentlichen Einfluss auf den Erfolg ihrer Vermarktung haben. Kunden werden selbst zeitweilig zu Erzeugern und verändern dadurch die Spielregeln des bisherigen Marktes bei gleichzeitiger Vertausendfachung der notwendigen Datenverarbeitungskapazitäten. Zudem betreten vor wenigen Jahren noch nicht denkbare Produkte die Bühne des Marktes, die erst durch diese neuen Rahmenbedingungen ermöglicht wurden.

In diesem Umfeld ist es motivierend, dabei mitzuwirken wie Neues entsteht und selbst gestalterisch darauf Einfluss zu nehmen. Inhaltlich finde ich die Kombination mathematischer Methoden und neuer Technologien sehr spannend und herausfordernd.

  • Was raten Sie Mathe-Student*innen?

Ich habe es während meines Studiums genossen, mich mit verschiedensten mathematischen oder physikalischen Fragestellungen zu beschäftigen. Nachdem in mir die Entscheidung reifte, dass eine universitäre Karriere mit den damit einhergehenden Rahmenbedingungen nicht für mich infrage kommt, nutzte ich verschiedene Möglichkeiten, um Einblicke in Unternehmen zu bekommen. Dafür gibt es eigene Programme oder Info-Veranstaltungen. Es hilft dabei, seine eigenen Interessen über die mathematischen Fragestellungen hinaus kennenzulernen und verhindert nach dem Abschluss große Fragezeichen der Form "Was mache ich jetzt?"

Es gibt kaum Unternehmen, die nur aus Mathematiker*innen bestehen. Auf der anderen Seite gibt es auch kaum größere Unternehmen ohne Mitarbeiter mit mathematischem Background. Dementsprechend gibt es umfangreiche Möglichkeiten für Absolventen. Abseits typischer Bereiche wie Technik, Finanzwirtschaft, Versicherungswesen, Energiewirtschaft, Unternehmensberatung, Biowissenschaften, Logistik etc. sind Mathematiker*innen auch in ganz unvermuteten Bereichen anzutreffen. Finden Sie heraus, was Sie über die Mathematik hinaus interessiert.

Rückblickend würde ich mich während des Studiums etwas mehr mit numerischen Fragestellungen beschäftigen, weil ich diese heute in meiner Arbeit benötige. Gerne hätte ich mich dem heute modernen Betätigungsfeld Machine Learning gewidmet. Mein Auslandsaufenthalt in Schweden war für mich nicht nur persönlich bereichernd, es wurde auch in Bewerbungsgesprächen positiv wahrgenommen. Nützen Sie daher solche Gelegenheiten, ein anderes Land kennen zu lernen.


Interview: Clemens Karner, Roland Zweimüller