Im Interview: Mathematiker und START-Preisträger Yash Lodha

24.08.2021

Räumliche und algebraische Strukturen im Kontext von Symmetrien.

Das Forschungsgebiet des Mathematikers Yash Lodha ist die Gruppentheorie. Sein START-Projekt "Algebraische, analytische, dynamische Eigenschaften von Gruppen" wird der Forscher am Institut für Mathematik an der Universität Wien durchführen.

Sie beschäftigen sich mit einem Bereich der Mathematik, der Gruppentheorie genannt wird. Können Sie das Forschungsgebiet kurz umreißen?
Yash Lodha: Eine Gruppe kann man sich als mathematische Abstraktion von Symmetrien vorstellen. Dank der Symmetrie kann man beispielsweise ein physikalisches Objekt in einem dreidimensionalen Raum rotieren lassen oder es auch spiegeln. Die Struktur des Objekts, etwa seine Länge oder seine Winkel, bleiben dabei erhalten, auch wenn man mehrere Symmetrie-Aktionen aneinanderfügt oder sie rückgängig macht. All das kann mit den Mitteln der Algebra beschrieben werden – eben als Gruppe. Man kann dabei Gruppen mit einer endlichen und einer unendlichen Zahl von Symmetrien unterscheiden. Das Gebiet hat eine lange Geschichte. Erst im 20. Jahrhundert wurde erkannt, dass man mithilfe der Gruppen auch geometrische Fragestellungen besser verstehen kann.

Das START-Programm des Wissenschaftsfonds FWF richtet sich an junge Spitzenforschende, denen die Möglichkeit gegeben wird, auf längere Sicht und finanziell weitgehend abgesichert ihre Forschungen zu planen. Das Förderungsprogramm ist mit bis zu 1,2 Millionen Euro dotiert und zählt neben dem Wittgenstein-Preis zur prestigeträchtigsten und höchstdotierten wissenschaftlichen Auszeichnung Österreichs.

Welche Antworten soll Ihr START-Projekt geben?
Lodha: Heute ist die Gruppentheorie ein zentrales Forschungsgebiet der Mathematik mit vielen Anwendungen, etwa in der Computerwissenschaft, der Kryptografie oder der Physik. Immer wenn man ein physikalisches System in einem Modell abbildet, tauchen Symmetrien auf. Als theoretischer Mathematiker versuche ich Gruppen aber als rein mathematische Objekte zu sehen und bei fundamentalen Fragestellungen Fortschritte zu erzielen. Gleichzeitig sollen Beispiele für neue Gruppen gefunden werden, von denen man bisher nicht wusste, dass sie möglich sind, und die interessante Eigenschaften aufweisen. Ich möchte die in den Gruppen abgebildeten Symmetrien besser verstehen lernen, indem ich die Beziehungen zwischen der Struktur des Raumes und den algebraischen Strukturen untersuche. Anders gesagt: Man kann sich die Symmetrien als trockene Algebra-Theorie vorstellen oder man kann sie anschaulich als Objekte und Räume visualisieren. In der Verbindung zwischen diesen beiden Welten liegt mein Forschungsgebiet.

Was werden Ihre ersten Schritte sein?
Lodha: Ich lebe jetzt in Lausanne und werde nächstes Jahr höchstwahrscheinlich nach Wien ziehen. Wenn alle praktischen Dinge geklärt sind, werde ich meine Forschungsgruppe mit Doktorand*innen und Postdoc-Forschenden an der Universität Wien starten.

Was bedeutet der START-Preis für Ihre Forschungstätigkeit?
Lodha: Ich bin jetzt schon Teil vieler internationaler Kooperationen – etwa mit Wissenschafter*innen in Südkorea, in den USA oder in Frankreich. Diese Kooperationen werden natürlich weitergehen und durch das Projekt wesentlich gestärkt werden. Als Theoretiker*in braucht man in der Mathematik kaum Equipment, keine Laborausstattung. Wir werden aber die Ressourcen haben, gemeinsam zu arbeiten und Seminare zu veranstalten. Die Coronakrise hat gezeigt, wie wichtig persönliche Zusammenarbeit ist. Über Videokonferenzen ist es kompliziert, gemeinsam an einem mathematischen Problem zu arbeiten. Dazu kommt die Möglichkeit, mit Nachwuchsforscher*innen zu arbeiten. Ich bin an einem Punkt, an dem ich nicht mehr allen Forschungsfragen, die ich gerne bearbeiten würde, selbst nachgehen kann. Für Doktorand*innen ist das eine gute Gelegenheit, tiefer ins Thema einzutauchen.

Was motiviert Sie für Ihre Forschung?
Lodha: Zum Teil ist es Neugier, zum Teil Ambition und zum Teil Inspiration. Ich bin von Natur aus eine sehr neugierige Person und möchte immer sofort mehr über neue Themen erfahren. Zugleich möchte ich nicht nur passiv Inhalte konsumieren, sondern auch neues Wissen schaffen. Der dritte Teil, Inspiration, ist besonders wichtig für mich. Wenn ich mit meinen Theorien nicht weiterkomme, können die Arbeiten anderer Wissenschaftstreibenden, Diskussionen mit anderen aus meinem Fach oder einfach eine schöne Vorlesung anregend wirken. In der Mathematik arbeitet man manchmal Monate oder Jahre an einem Problem, das man nicht lösen kann. Es ist wichtig, dass man lernt, damit zurechtzukommen. Doch auch wenn man ein Problem nicht lösen kann, nimmt man immer etwas davon mit. Vielleicht versteht man einen Sachverhalt besser, vielleicht kann man die Werkzeuge, die man für das eine Problem entwickelt hat, für ein anderes verwenden.

Yash Lodha hat 2015 sein Doktorat in Mathematik an der Cornell University in den USA abgeschlossen. Nach seinem Postdoc an der EPF Lausanne in der Schweiz war der aus Indien stammende Wissenschafter Projektleiter eines "Ambition"-Forschungsprojekts des Schweizerischen Nationalfonds SNF sowie Research Fellow am Center for Mathematical Challenges am Korea Institute for Advanced Study in Seoul. Zu seinen wissenschaftlichen Leistungen gehören ein neuer Lösungsansatz des Neumann-Day-Problems für endlich präsentierte Gruppen, den er gemeinsam mit seinem Kollegen Justin Tatch Moore 2013 publizierte.

Das START-Projekt "Algebraische, analytische, dynamische Eigenschaften von Gruppen" wird Lodha am Institut für Mathematik an der Universität Wien durchführen. Darin widmet er sich der Gruppentheorie, einem zentralen Bereich der Mathematik. Am Schnittpunkt von Topologie und Kombinatorik sollen neue Grundlagen für die in Gruppen abgebildeten geometrischen und algebraischen Symmetrie-Strukturen erarbeitet werden.

Das Interview hat Alois Pumhösel geführt und es ist am scilog des FWF erschienen. Mit freundlicher Genehmigung des FWF publiziert.

Copyright FWF

Copyright FWF